Noch ein Sieg

DennisKoch2Nach den Querelen der letzten Woche, in der wir es schafften, zum meist diskutierten Verein Göttingens zu werden, brachte es unser soziale Netzwerker Timo Hichert auf den Punkt: „Lasst uns doch bitte einfach nur Fußball spielen, so schlecht können wir das gar nicht. Ich will nen Trainer auf der Bank und dann einfach eine Mannschaft auf dem Feld.“ Fußball kann so ein schöner Sport sein, wenn nicht unliebsame Nebengeräusche den Spaß am Hobby vergällen und wir uns mehr mit derlei Lästigkeiten auf administrativer Ebene beschäftigen müssen, anstatt die Wahrheitsfindung auf dem Platz zu perfektionieren.

Vor unserem Auswärtsauftritt beim starken Tabellenfünften TSV Groß Schneen schworen wir uns auf maximale sportliche Fokussierung ein, was angesichts eines dünnen Personalkorsetts nicht wirklich einfach erschien. Cemil Onal zwickte es im Oberschenkel, Timo Hichert hatte sich in der laufenden O-Phase die Stimmbänder wund geschrien und Mathis Gleitze spürte die Nachwirkungen einer Kreislaufschwäche unter der Woche. Doch dank Innenverteidiger Marijan Petkovic gibt es für die Position des zweiten Sechsers neben mir etliche Alternativen. Neben „Mathis“ hegen auch „Matthias Gleitze“, „Matti Gleitze“ und „Matjes Gleitze“ Anspruch auf einen Stammplatz, zumindest fordert der lautstark dirigierende „Petko“ stets die Einwechselung der bislang unbekannten Neuzugänge. Doch Mathis hielt trotz zwischenzeitlich angedeuteter Ermüdungserscheinungen volle 90 Minuten durch, so dass er nach Abpfiff die köstlichen Matjes-Brötchen von Spielermutter und Picknick-Göttin Heide Hichert verköstigen durfte. Gut, bei tieferer Geschmacksanalyse entpuppten sich die Matjes-Filets als Fleischfrikadellen, doch diese Erkenntnis hätte das hammermäßige Wortspiel zerstört. War trotzdem sehr lecker, Heide!

Bleiben wir beim Sportlichen und bei einer ersten Hälfte, in denen wir vor allem in der Anfangsphase gute Spielzüge zeigten, in den entscheidenden Momenten jedoch den Abschluss verpassten oder einen Haken zu viel versuchten. Nach einer halben Stunde kam der Gastgeber besser ins Spiel, aber Dennis Koch schmiss sich mit allen verfügbaren Fingern in die Torschüsse hinein. „Verfügbar“ waren nach einer besonders schmerzhaften Aktion allerdings nur noch deren Neun, da ein Protagonist des Torwart-Werkzeugs mit ausgekugelten Gelenken seinen Dienst verweigerte. Während andere zart besaitete Gemüter umgehend einen Ohnmachtsanfall erlitten hätten, kommentierte Dennis sein persönliches Unglück trocken: „Oh.“ In der Kabine wurde der Finger des Grauens von allen Mitspielern fachmännisch begafft, um zum medizinisch ausgewogenen Fazit zu kommen: „Da ist was nicht in Ordnung.“ BSV-Fan und treuer Zuschauer Michael Dreiwes fuhr unseren Keeper ins Krankenhaus, allerdings mussten zuvor Erinnerungsfotos geschossen werden, schließlich sieht man derartige anatomische Auswüchse ansonsten nur noch bei „Galileo“ im Fernsehen.

0:0, Torwart verletzt, kein Reservekeeper auf der Ersatzbank! In unserer Not wollten wir telefonisch bei Teammanager Volker Trümper um Rat fragen, bevor uns einfiel, dass dieser ja von seinen Aufgaben entbunden ist. Die panische Stimmung löste René Haehnel auf, in dem er sich bereit erklärte, zum Wohle der Mannschaft Trikot und Handschuhe von Dennis zu übernehmen – kurz bevor Petkovic („Ich mache das gerne...“) zugreifen konnte. Die neue Situation erforderte nunmehr erhöhte Konzentration aller Beteiligten, denn bei allem Vertrauen in die magischen Hände von René, schien es doch sinnvoller, zunächst das Augenmerk auf die Defensive zu legen – Groß Schneen sollte auf keinen Fall zu Torabschlüssen kommen. Dieses Vorhaben setzten wir nahezu perfekt um. Jeder Spieler brachte sich zu 100% in die Mannschaft ein und zeigte eine kämpferisch fantastische Einstellung. Natürlich blieb es nicht aus, den einen oder anderen gefährlichen Angriff der Gelb-Schwarzen (wir durften in roten Glücks-Leibchen spielen) mit einem Foul zu stoppen. Dumm nur, dass wir die gelben Karten in der Regel eher wegen Meckerns oder Handspiel erhielten. Bei seinem Versuch, „den schnellen Einwurf zu verhindern“, grätschte der bereits gelb vorbelastete Ruben einen Gegner um, was zur viertelstündigen nummerischen Unterlegenheit unserer Farben führte. Nun musste jeder zwangsläufig eine weitere Schippe drauf legen: Enrico Weiß gewann geschätzte 120% seiner Kopfballduelle, Albert Saciri brachte seinen ganze Persönlichkeit ein und band damit gleich zwei Gegenspieler (einen für die linke, einen für die rechte Körperhälfte) und René bewahrte stets die Übersicht, musste nur ein einziges Mal rettend eingreifen, als er einen Schlenzer lässig zur Ecke lenkte.

Auf der Gegenseite war uns zehn Minuten vor dem Abpfiff das berühmte „Glück des Tüchtigen“ hold. Freistoß, Kopfball Enrico, Albert sprintet in die Flugkurve des Balles hinein und drückt das Leder über die Linie. 1:0 für den BSV und eine entsprechende Reaktion des TSV: der agile Maik Schulze setzt sich gegen zwei Bovender durch, geht in den Zweikampf mit Innenverteidiger Luca Gleitze und bringt diesen ins Überlegen. „Sekt oder Selters?“, „Rote Karte oder Held des Tages?“. „Egal“, dachte sich unsere Nummer 3, „man lebt nur einmal.“ Mit einem lauten „YOLO“-Schrei hob er Richtung Ball ab und schaffte es tatsächlich, diesen von den Füßen des Angreifers wegzuspitzeln. Wobei „spitzeln“ relativ filigran klingt, was den Gleitze-Habitus der Marke „No risk, no fun“ dezent beschönigt.

Das 1:0 verteidigten wir bis zum Schluss und hätten sogar noch auf 2:0 erhöhen können, als der wenige Sekunden zuvor eingewechselte Kai Lambertz – seines Zeichens Sprintkönig, Speedy Gonzalez und Road Runner in Personalunion – einen Befreiungsschlag erlaufen konnte, doch am heraus stürmenden Keeper scheiterte. Tja, so wie sich Road Runner fortwährend seines ärgsten Feindes Coyote erwehren musste, so scheiterte auch Kai an den Fallstricken der missliebigen Konkurrenz.

Der Abpfiff ließ tonnenweise Steine von unseren Schultern abfallen. Dank einer kämpferisch hochklassigen Leistung holten wir verdiente 3 Zähler – wenngleich wir eigentlich mit 15€ pro Person bestraft gehörten. Denn in der Gästekabine des TSV stießen wir auf den offiziellen Strafenkatalog des Kreisligisten, welcher besagt, dass „Tätigkeiten“ mit eben dieser Summe zu ahnden seien. „Tätig“ waren wir tatsächlich über die gesamten 90 Minuten und dies sogar besonders intensiv.